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Das Leuchten in
den Gesichtern
des Malers Manfred Mahsberg
Persona, die Person, kommt als Wort aus dem Lateinischen
und bedeutet Maske. Diese Deutung ist dem antiken Theater entnommen, wo nicht
Individuen auf der Bühne herumwuselten und den Text nach ihren subjektiven
Möglichkeiten interpretierten. Der unverwechselbare und wesentliche Gehalt des
Stückes wurde durch maskierte Akteure vorgetragen. Wesentlich war nicht wer in
den Stücken von Aischylos, Sophokles oder Euripides
den Prometheus, die Antigone oder die Medea spielte. Der Botschaft, die größer
als der Einzelne war und immer noch ist, galt das Interesse. Das ist in der
Zeit vernetzter Individualisten, konsumorientierter Egoisten, Influencer und vermasster Subjektivisten
schwer vorstellbar.
Durch die Maske, unser nicht immer freiwillig
aufgesetztes Gesicht, tönt das, was uns ausmacht. Die Maske ist nicht das wahre
Ich, aber das, was durch sie hindurchtönt, personare,
macht menschliche Eigenheit, Charakter und Würde aus. Es ist allgemeine
Erfahrung, dass hinter manchem bedrohlichen Gesicht Güte und Weichherzigkeit
leben und hinter mancher Engelsmaske Gemeinheit und Bosheit. Dieser dunklen Aura,diesen finsteren Gedanken und
Taten, steht die Liebe gegenüber und leuchtet hinter den Gesichtern. Ein
Porträt sagt zunächst nichts über die Persönlichkeit eines Menschen aus. Darum
sind die meisten mit ihrem gemalten Porträt unzufrieden, da es nicht vermitteln
kann, wer der Dargestellte ist,und
welche Fülle an Möglichkeiten aus Vergangenem, Gegenwärtigem und Geahntem in
dem Betreffenden lebt. Das Porträt ist nur eine Tangente. Am Porträt ist das
Wichtigste, das wahre Ich und das sieht ganz anders aus, als das, was
realistische Darstellung einzufangen vermag.
Der Maler Manfred Mahsberg
lässt sich in seinen sogenannten Porträts nicht auf
die idealtypische subjektive Rekonstruktion seiner Heldinnen und Helden ein. Er
bettet sie in das ewige „panta rhei“-
„alles fließt“ seiner heftigen Niederschriften fließender Ölfarben. Der von
Platon vermittelte Begriff des griechischen Philosophen Heraklit ist die
formelhafte Zusammenfassung eines naturphilosophischen Fundaments, alles sei
Wandlung oder Metamorphose. Um unmittelbar zu verstehen was damit gemeint ist,
reicht es durchaus, eigene Jugendfotos zu betrachten. „Die holde Jugendzeit“
ist vergangen. Vielleicht erkennt man das Gewesene und das gewordene Wahre der
eigenen Person. Auch dieses Bild wird
schwinden. Jeder fühlt die Wandlung, selbst wenn er sie nicht akzeptiert. Der
Künstler gewinnt die Anregung zu seinen Porträts zumeist aus alten Lexika, die
die jeweiligen Persönlichkeiten in bestimmten Altern als Fotos, als
Kupferstich, Holzschnitt oder Heliogravüre abbilden. Dies geschah als Bild vom
Bild eines Porträtierten, der möglicherweise schon damals nicht glaubte, so
auszusehen. Im wahrsten Sinne des Wortes sind Mahsbergs
Porträts Masken und darin Metapher, malerische Bildausdrücke. Er wählt Köpfe,
um nicht im Abstrakten operieren zu müssen. Er ist kein Porträtmaler, er malt
keine Gelehrten-, Heiligen- oder Ahnengalerien. Seine Malerei ist ein
innegehaltener Zwischenraum zerfließenden Lebens.
Darum gelingt ihm in seiner offenen malerischen Haltung
zum Porträt und zu den Porträtierten etwas Treffendes, was als besondere Note
in der Persönlichkeit der Dargestellten enthalten ist. Sein Porträt von John
Ronald Reuel Tolkien (1892 – 1973) ist eines seiner
großen Bilder im Format 75 x75 cm. Es verlebendigt
über die Farben Tolkiens ganze, private Mythologie. In der schrundigen Malerei
leben die Hobbits, die Baumrinden, das Moos und Grün
der Wälder seiner literarischen Welt und mischen sich in die tiefen Furchen des
Altersporträts des „Herrn der Ringe“ um Mund und Augen. Der britische
Schriftsteller, Begründer der modernen Fantasy-Literatur,
leuchtet uns aus den Farben entgegen und lockt, in seine erfundenen Welten
einzudringen. Das Bild ist eine Metapher für Person und Werk, angeregt von dem
was war und was als Wahr bleiben wird. Um zu dem überzeugenden Resultat zu
gelangen muss der Maler nicht eine Zeile von Tolkien gelesen haben. Es
erschließt sich dem Künstler aus der Vorlage.
In der romantischen Literatur Deutschlands nimmt Joseph
von Eichendorff (1788 – 1857) eine besonders liebenswerte Position ein. 1835 schrieb er eine Metapher
um die besondere Leistung der Poesie zu verdeutlichen. Sein Gedicht hat den
Titel „Wünschelrute“.
Wünschelrute
Schläft
ein Lied in allen Dingen,
Die
da träumen fort und fort,
Und
die Welt hebt an zu singen
Triffst
du nur das Zauberwort.
Statt eines Zauber-worts nutzt
Manfred Mahsberg den Pinsel als Zauber-stab,
Ölfarbe und Leinwand. Er gleitet nicht in eine beliebige romantische subjektive
Deutung ab. Der Künstler anerkennt nur das Faktische und geht seiner Malerei
nach. Unermüdlich entstehen nach Auswertung der Lexikonvorlagen bedeutende
Bilderserien in drei Formaten von 7,5 x 7,5 cm, 25 x 25 cm und 75 x 75 cm.
Für die Miniaturen nutzt er kräftige Holzstücke, die er
mit Nessel kaschiert, auf die er „alla prima“ seine Fülle immer neuer Beutezüge
malt. Nass in nass ist dies ein spontanes Erfassen von Lovis Corinth, Maria
Callas, Alexander Solschenizyn, Jean Sibelius, Joseph Haydn. Jede dieser
Miniaturen verdeutlicht durch ein zeittypisches Relikt, etwa die Perücke von
Haydn, wer die oder der Betreffende sein könnte. Rilke ist mit seinem
Oberlippenbart, Byron mit Stirnlocke flott erfasst und Maria Callas ist, wie
Cleopatra, an ihrer hübschen langen Nase zu erkennen. Dies sind Kernformen, die das Wiedererkennen
ermöglichen. Sie reichen, um sich dem Wahren dieser Menschen und ihrem Werk zu
nähern. So wie das Werk aufleuchtet, wenn man während eines sonnigen
Herbstspaziergangs im Freundeskreis Rilke rezitiert und der eine oder andere
verständnisinnig mit dem Kopf nickt an der Stelle „Herr es ist Zeit, der Sommer
war sehr groß.“ Lächelnd bekommt man zur Antwort, dass das andere Gedicht von Rilke noch schöner, tiefer,
abgründiger sei, „du kennst es auch: Die Blätter fallen, fallen wie von weit“.
„Ja, es besitzt mehr Herbstmelancholie vor allem die Stelle: und in den Nächten
fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit.“
Bei den größeren Formaten ergibt sich eine wuchtigere pastose Malerei, die den Pinsel als Forminstrument nutzt und die Spachtel zu Hilfe zieht. Dieser
kräftige Auftrag verweist den Betrachter in eine bestimmte Distanz. Die Distanz
unterstützt und schafft den Vorbeiflug der Zeitlichkeit aus der sichtbaren
malerischen Aktion. Vergleichbar malen Klaus Fußmann und sein ebenso bedeutender Schüler Christopher
Lehmpfuhl ihre Blumenrabatten und Landschaften auf internationalem Niveau. Das
Gesicht in dieser eidringlichen
Hinwendung ist aber nicht ihr Thema. In der deutschen Kunstgeschichte kennt man
Friedemann Hahn, der in einigen seiner Bilderserien, angeregt durch den Film,
Porträts von Filmheldinnen und Filmhelden aber auch einige seiner Malerhelden,
vor allem Cezanne aus der Zeit des
Impressionismus, in seiner selbstständigen kräftigen Malerei festhält. Die
methodisch eindringliche und seriell eindrucksvolle ernsthafte
Ausschließlichkeit ist bei Manfred Mahsberg ein
malerisch philosophischer Standpunkt, unverwechselbar und wesentlich.
Sichtweise, Augenschein und Erkennen machen sich von Details frei und binden
uns in einen lebendigen Prozess des malerischen Bekenntnisses zu dem sich
verströmenden Leben. In den mittleren Formaten versiegelt er das eine oder
andere Porträt unter einer Schicht von Silikon unter der das Gesicht
hervorleuchtet. Das forschende Auge erkennt Chopin, Goethe, Hesse, Gounod und andere Persönlichkeiten.
Über die Jahre ist ein großer Speicher an Porträts
entstanden, ein Olymp seliger Geister von Jean Baptiste Racine bis zur
Schriftstellerfamilie Mann. Man könnte nach Musikerinnen und Musikern,
Schriftstellrinnen und Schriftstellern, Malerinnen und Malern, nach
Komponistinnen und Komponisten ordnen. So ist das vom Künstler aber nicht
angedacht. Er will keine Galerie dieser oder jener Art, keine Heldenverehrung,
Heiligengalerie, Schönheits- oder Ahnengalerie, giert nicht nach Köpfen die en
Vogue sind. Er gräbt in den Gesichtern nach dem Gesamt eines lebendigen Sinns.
In der Sale Monumentali der
Nationalbibliothek in Venedig, gegenüber dem Dogenpalast befindet sich eine
Galerie der Selbstdarstellung eines Staates und seines Bewusstseins. Die
gewölbte Decke in diesem eindrucksvollen Raum ist mit Göttinnen, Göttern und Heroen
in reich geschnitzten vergoldeten Kassetten geschmückt. An den Wänden zwischen
den hohen Fenstern sieht man Ganzfigurenporträts von Philosophen. Zwei
tonnengewölbte reich stuckierte Treppenläufe führen
nach oben in den heiligen Saal. Im Aufsteigen wächst das Gefühl, man ist zum
Dogen geladen, dabei ist dies der Thronsaal unserer europäischen
Wissenswurzeln, den wir durch ein Säulenportal betreten. Der einst mächtige Staat Venedig, „La Serenissima Republica di San
Marco“, wusste, was sie dem Wissen, den Gelehrten und dem Wissensspeicher ihrer
Bibliothek schuldig ist.
Links und rechts vom dem Säulenportal sind, von Veronese
gemalt, Aristoteles (385 - 322 v. Chr.), der naturwissenschaftlich aufklärerische Philosoph mit weisender Hand und der eher
verinnerlicht seherische Platon (428 – 347 v. Chr.) dargestellt, der die Welt
so nehmen wollte, als wenn sie wahr wäre. Wie Paolo Veronese (1528 – 1588),
einer der bedeutendsten Künstler der Spätrenaissance und der venezianischen Maler,die Lehre und den Charakter der beiden Philosophen in
Gestik, Gewand, Haltung und Gesicht gestaltet und in der gemalten Konche platziert, ist genial. Nichts ist Gegenwart bei den
Dargestellten, so gab es sie nie. Die Darstellungen sind außerhalb eines
Zeitlichen und räumlich Realen. Nichts ist wirklich in diesem Saal und doch ist
so unsagbar viel wahr von dem, was durch die Darstellungen bei manchen
Besuchern angeregt und vermittelt wird. Die Köpfe, die „Porträts“ in der Sale Monumentali sind retrospektiv und visionär. Bei Mahsberg sind sie zudem von größerer Wahrscheinlichkeit.
Mit den Porträts markierten Fürstinnen und Fürsten, wie
Rüden, seit Ur und Babylon ihre Macht und den Anspruch auf Territorium und
Menschen. Heute hängen in demokratischer Distinktion nur noch Fotos von Kanzlerin
und Kanzlern oder von Bundespräsidenten in den Amtsstuben und Rathäusern
unserer jungen Demokratie und belegen den Unterschied zwischen totalitärer
Macht eines Pharao, Ludwig XIV von Frankreich, Maria Theresia und dem aktuellen
Bundepräsidenten. Schade, dass uns die Volksvertreter
kein gemaltes Bild wert sind. Aber das Volk kann sich keine Heiligengalerie,
wie die um 1350 des deutschen Kaiser Karl IV in Karlstein bei Prag, leisten.
Ebenso wenig die Ahnengalerien oder Schönheitsgalerien in Burgen und Schlössern
oder die Gelehrtengalerien in altehrwürdigen Universitäten. Die heutigen
Fotogalerien oder digitalen Speicher von den Lieben sind ein Zeichen der
Teilhabe an der Welt. Da bestaunen wir mit Entzücken die Glotzaugen,
Schiefnasen, abstehenden Ohren der Verwandten und Bekannten als artgerecht und
gattungskonform und sehen uns in der Lage die Teilhabe an dieser gähnenden
Bedeutungslosigkeit weltweit und jederzeit digital als Bildermüll zu
verschicken. Gipfel ist das Selfi -nackt mit Hut, am
Strand, beim Essen, selbst beim Sex.
Welche Würde
besitzen dagegen die Porträts von Mahsberg. Da kann
man sich seine eigene Walhalla zusammenstellen und die Frauen und Männer der
geistigen Welt nach Vorlieben in Musik, Malerei, Poesie und anderen Gattungen
in beliebiger Reihenfolge zusammenstellen. Mahsbergs
Porträts sind Nachrichten von Personen in Abwesenheit, sie stellen Nähe her zu
denen, denen man nicht gleicht, die man nie erreicht, zu denen man aber in
einen Dialog eintreten darf, der zu Gedanken und tieferen Empfindungen einlädt.
Ähnlich ist es mit CD´s im Ikea-Regal. Man sieht die
Gruppe, liest den Titel, den Komponistennamen, greift, je nach Stimmung diese
oder jene Musik und spielt sie ab, um den Spaziergang in eine andere Welt zu
unternehmen. Mahsberg schlägt, ähnlich, ein
Bilderregal statt eines Bücherregals oder CD-Regals vor. Darin stehen seine
Heldinnen und Helden beieinander und flüstern sich ihre Leben zu, bis jemand
sie herausnimmt und sie sich im Verstandesauge des Betrachters ausbreiten
dürfen und die Geschichten ihres Lebens lebendig werden. Notfalls kann man googeln.
In seinen Miniaturen geht es um das Wahr und das
Wahrscheinliche, um Haltung und nicht um die kleinbürgerliche
Erwartungshaltung. Johann Caspar Lavater (1741 – 1801) bediente in seinem 1772
geschriebenen Werk „Von der Physiognomik“ das
spießige idealistische Weltbild, das bis in unsere Tage wirkte. Ein schöner
Geist wohnt demnach in einer schönen Gestalt und in einem schönen Gesicht. Wie
falsch! Mozart war ein unausgeglichener hässlicher kleiner Gnom und genialer
Musiker. Wagner und Bruckner waren klein und auch nicht schön. Blatternarbig
war Beethoven, glubschäugig Goethe und Kant übertraf sie alle an „Liebreiz“;
Schopenhauer, Nietzsche, alles hässliche Vögel.
Was soll das mit dem Schön? Mahsberg
malt die Großen klein aber er macht sie nicht klein. Im Gegenteil, er
beschäftigt sich mit ihnen und belebt sie neu, hebt ihre Größe, weckt sie. Ihn
interessiert nicht eine geschönte Dichterin Karoline von Günderrode,
eher die Frau die sich sterblich in den genialen Juristen Friedrich Carl von
Savigny verliebte. In Winkel am Rhein erdolchte sie sich am Flussufer wegen
ihrer noch größeren unbeantworteten Liebe zu Friedrich Creuzer.
Der Bildspeicher des Künstlers ist ein wichtiger
ergänzender Teil unseres Lebens unserer Existenz durch die
Schicksalsnachrichten der anderen Menschengeschwister. Seine Masken oder
Embleme vervollständigen sich in unserem Kopf und bedingen emotionale
Anbindung. Sie verlebendigt das Porträt. Selbst unter
der Silikonschicht sieht man die Krempe des Hutes, die Nickelbrille, die
eingefallenen Wangen und die wachen Augen von Hermann Hesse (1877 – 1962). In
dem Masse, in dem man unter der Silikonschicht das Gesicht des Dichters
hervorleuchten sieht, kehrt die eigene Jugend zurück und die Lebensfrage taucht
wieder auf, ob man lieber Narziss oder Goldmund sein wollte. Man litt mit den
Helden „Unterm Rad“ und tauchte in die Anderwelt der
Bücher „Siddartha“ und „Zeitenfallen“ ein. Durch das
Leben begleitet manche Leser das Gedicht Stufen und daraus die Zeilen „nur wer
bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.“
In uns ist das Bild. Das ist wie in der Begegnung mit
den Menschen. Wir schaffen uns schnell ein Bild. Oft ist es trügerisch. Die
Porträts von Mahsberg trügen nicht. Sie sind anders.
Sie wachsen aus dem anderen künstlerischen Medium. Das andere ist die Malerei.
Sie weckt das Glück der Begegnung mit Verdi, Liszt, Wagner, mit Büchner und
seinen Geschwistern, van Gogh, Grass, Satie und den anderen. Die Malerei ist
eine selbstständige Aufgabenstellung mit eigener Sprache. Es ist ein Geheimnis,
wie die Begegnung mit selbst fremden Gesichtern die Welten aufschließt. „Ach so
sah der aus“, denkt man vor dem schwarz-grünen zerfurchten Porträt mit weißen
Farbzöpfen von Theodor Mommsen, dem bedeutendsten Altertumswissenschaftler des
19. Jahrhunderts, den man im Studium lesen durfte. In Serien und Zyklen breitet
der Künstler sie alle aus. Im Malen erlebt er
den Vorbeizug der Welt, das Schwindende, das Gewesene. Er weckt das
Wahre.
Was sie waren ist gewesen, was sie wirkten wird in Mahsbergs Bildern lebendig und springt über als Energie,
schafft das Erinnern und die Reinheit des Gedankens. Beim Porträt von Mommsen
ist dies ebenso deutlich spürbar, wie bei allen anderen. Samuel Beckett (1906 –
1989), der irische Schriftsteller, berühmt durch sein Stück „Warten auf Godot“,
leuchtet uns aus einem kühlen, gedanklichen Hellgrau entgegen. Miquel Ángel Asturias
(1899 – 1974), der guatemaltekische Diplomat und Lyriker besitzt wärmere
Farben, aus denen sein Gesicht schimmert. Das Gesicht ist nur das Haus, das
bewohnt wird von Gedankengebäuden und Emotionen. Bei Mahsberg
leuchten sie aus den Farben, man muss sie nicht gelesen haben. Der Friedberger
Dichter und Kulturphilosoph Fritz Usinger (1895 –
1982) schrieb in einem seiner Gedichte:
Lies
in Büchern, was die Dichter stiften,
Lies
Dein Leben lang die heiligen Schriften!
Alles
weht Dich an, und es verweht.
Alles
geht Dich an, und es vergeht.
Lies
herzeinwärts ungeschriebene Zeichen,
Und
sie werden alle Dich erreichen.
Mehr als jedes
Buch gilt das Gesicht.
Götter
leuchten. Doch sie lesen nicht.
Die lebendige Malerei des Künstlers fängt das nicht
Darstellbare ein. Sein dialogischer Ansatz aus den malerischen Anliegen schafft
die Aufrichtigkeit seiner Porträts. Sie sind Imago, ganz aus dem Künstler
geboren, aus der schwindenden Zeitlichkeit gelöst, in kräftiger malerischer
Struktur zur Wirklichkeit des Bildes geworden. Darum bewegen uns seine Bilder
in ihrer Unmittelbarkeit, kraftvollen Farbigkeit, ihrer Raum- und
Zeitlosigkeit, frei von Anekdotischem und jeder Trivialität. Sie stellen sich
dem Zerfließen entgegen, sind erfüllte Zwischenräume als Anker in der
Zeit.
Friedhelm
Häring