Auch wenn es so aussieht - Manfred Mahsberg malt keine Portraits. Dabei ist zunähst über das Malen zu sprechen. Denn das, was
der Künstler da aus Farbe und manchmal Silikon entstehen läst, will nicht so recht zu diesem Begriff passen. Natürlich ist es
technisch betrachtet Malerei, aber Mahsberg türmt sein Material geradezu auf, fügt es Schicht auf Schicht überereinander und
verdichtet immer weiter. Der Begriff von Farbskulptur drängt sich auf. Größer noch wird die Kluft zwischen Wort und Ergebnis bei der
Bezeichnung? "Portrait". Ist doch das klassische Portrait die Auseinandersetzung eines Künstlers mit dem zu Portraitierenden.
Dabei ist diese Auseinandersetzung nur zum Teil ein malerisches also technisches Problem. Vielmehr muss es darum gehen, auch
die portraitierte Persönlichkeit einzufangen; zwar nicht in einem objektiven Sinn - das läst die Subjektivität des Portraitisten nicht
zu - aber doch so, wie sie auf den Maler wirkt. Wenn das Portrait an der Oberfläche verbleibt, hat es diesen Namen nicht verdient.
Der Porträtist muss tiefer vordringen. Und nicht immer ist das den Porträtierten angenehm.
Manfred Mahsberg geht es nicht darum, "Portraits" in diesem Sinn zu schaffen. Zwar wählt er seine Motive nicht beliebig, interessiert
sich durchaus für die Biographien der Dargestellten oder wenigstens für den ästhetischen Reiz der Vorlage, aber um eine malerische
Auseinandersetzung mit dem Charakter, um das Einfangen der Persönlichkeit geht es ihm nicht. Seine Arbeit beginnt nicht, indem er
den zu Porträtierenden gegen über sitzt, eher im Gegenteil: Ausgangspunkt ist eine Abbildung, fast immer ein Foto. Damit tritt ihm die
abzubildenden Persönlichkeit nicht mehr unmittelbar entgegen, sondern sozusagen gebrochen durch die Augen und das Medium
eines Dritten. Ein erster Filter zwischen Künstler und Objekt besteht also von Anfang an. Und Manfred Mahsberg fügt weitere hinzu,
schreibt den Prozess der Brechung bis zur Verunklarung fort. Unter immer wieder neuen Farbschichten verschwindet die Erinnerung
an die Vorlage, in verschiedenen Werkgruppen wird als letztes alles überdeckend Silikon aufgetragen. Auch durch die Reduzierung
des Bildformates wird die gemalte Person weiter entrückt. Und je dichter der Betrachter vor das Bild tritt, umso unklarer wird der
Betrachtungsgegenstand, der Mensch um den es eigentlich gehen könnte. Erst aus einer größeren Entfernung wird wieder sichtbar,
dass da eigentlich ein Kopf abgebildet ist.
Das Spiel, das Manfred Mahsberg mit der Kunstform Portrait treibt, ist durchaus auch ironisch. Am deutlichsten wird das in einer von
ihm hin und wieder verwendeten Form der Hängung: Die Bilder werden nicht auf der Wand präsentiert, nicht mit der Bildoberfläche
zum Betrachter hin, sondern wie Bücher in einem Regal. Nur die dort ganz rechts eingeordneten Arbeiten sind sichtbar. Die übrigen
zeigen nur ihre Schmalseite, den Umschlag der Leinwand um den Rahmen. Und hier sind sie dann beschriftet; und zwar fett und
deutlich sichtbar mit den Namen der Portraitierten. Der Ausstellungsbesucher müsste das Bild schon anfassen, es aus dem Regal
nehmen, wenn er wissen will, wie der Künstler - sagen wir einmal Einstein - abgebildet hat. Und dieses Berühren des Kunstwerks
verbietet sich natürlich in einer öffentlichen Ausstellung. Aber auch bei seinen mehr konventionellen Hängungen entzieht uns
Manfred Mahsberg das abgebildete Individuum. Die Portraits werden nicht al individuell gehängte Arbeiten, sondern als Teil einer
Wandgestaltung präsentiert. Wesentliches Anliegen ist ihr Zusammenwirken, der Rhythmus, der sich aus ihnen entwickeln lässt,
und nicht die Bedeutung der einzelnen Arbeit. Selbstverständlich fehlt dann auch das Schildchen, das die abgebildete Person
bezeichnet. Wer hier etwas wissen möchte, muss schon auf den Saalzettel zurückgreifen - und sogar darauf würde der Künstler
am liebsten verzichten. All das lässt nur einen Schluss zu: Manfred Mahsberg geht es nicht um die von ihm abgebildeten
Persönlichkeiten. Vielmehr spielt er mit unserer Erwartungshaltung an die Kunstform Portrait, hinterfragt er seine und unsere
Sehgewohnheiten. Wir können uns beobachten, wie wir dazu verführt werden, die Vorlagen wiederzuerkennen.
Wir versuchen die vielfachen Brechungen zu enträtseln, gehen Meter um Meter zurück, erahnen oder erkennen mehr oder weniger
undeutlich die bekannte Fotografie einer bekannten Persönlichkeit als Vorlage, verstehen das als ein Rätsel, das wir gelöst haben
oder auch nicht. Dabei kann uns klar werden, dass wir auf diesem Weg die abgebildete Persönlichkeit gerade nicht entdecken können,
höchstens die Ikone, als die sie sich in dieser und in keiner anderen Form in unser Gedächtnis eingegraben hat. Manfred Mahsberg
wirft uns auf die Oberflächlichkeit unseres eigenen Betrachtens und Verstehens zurück und öffnet uns so den Weg zum genaueren
Hinsehen und weiter zum genaueren Verstehen.
Schließlich spielt er auch mit den Sehgewohnheiten derjenigen, die ihm seine Vorlagen liefern. Seine Wandinstallationen mit den
zahlreichen Portraits lassen sich in einem doppelten Sinn auch als Landschaften verstehen: Zunächst sind sie Landschaften von
Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung von Fotografen und Porträtierten vergangener Zeiten. Sie sind zweitens aber auch
Landschaften der künstlerischen Wahrnehmung des Manfred Mahsberg. Die Vergangenheit und ihre Ikonegraphie hat er ihrer
Unschuld entkleidet und sie kraftvoll und manchmal sogar brutal umgeschaffen. Das, was darunter liegt, bleibt erkennbar, aber es
wird in einen neuen Zusammenhang eingefüht. Diesem Zusammenhang müssen wir uns als Betrachter nicht unbedingt anschliessn,
die Fragen, die aufgeworfen werden aber, die wenigstens müssen wir uns beantworten.
Gert Fischer (Stadtmuseum Siegburg)